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Kompetenzentwicklung vonGruppen- und TeamsprechernFallbeispiele aus vier UnternehmenWolfgang ElsnerUte FehringHolger MöhwaldKarl Otto MüllerCarsten NiekampUrsula ReutherManfred SchmidtJosef Strötgen
ImpressumDie Broschüre “Kompetenzentwicklung von Gruppen- und Teamsprechern – Fallbeispiele aus vier Unternehmen” entstand im Rahmen desForschungs- und Entwicklungsprogramms “Kompetenzentwicklung fürden wirtschaftlichen Wandel – Strukturveränderungen betrieblicher Weiterbildung” und wurde von der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung in Auftrag gegeben und begleitet. Das Forschungsund Entwicklungsprogramm wird gefördert vom Bundesministerium fürBildung und Forschung sowie vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.Die Autoren tragen die Verantwortung für den Inhalt.Autoren:Betreuung der Broschüre:Herausgeber:Wolfgang Elsner, Ute Fehring,Holger Möhwald, Karl Otto Müller,Carsten Niekamp, Dr. Ursula Reuther,Manfred Schmidt, Josef StrötgenDr. Ursula ReutherArbeitsgemeinschaft QualifikationsEntwicklungs-Management, Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft BetrieblicheWeiterbildungsforschung e. V.,Storkower Straße 158, 10402 BerlinManuskriptdruck, August 2000Herstellung:ESM Satz und Grafik GmbH, 12459 BerlinAlle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, Nachdruck und andere Nutzung nur mit Zustimmung des Herausgebers.
Inhaltsverzeichnis1Einleitung2Erstes FallbeispielBischof Klein GmbH & Co. KG3Zweites FallbeispielLely Welger Maschinenfabrik GmbH4Drittes FallbeispielSartorius AG5Viertes FallbeispielWENCO-WEST GmbH & Co KG6Fazit
1 EinleitungDas Forschungs- und Entwicklungsprogramm “Kompetenzentwicklungfür den wirtschaftlichen Wandel – Strukturveränderungen betrieblicherWeiterbildung” fördert seit 1996 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds unterschiedliche Initiativen zur Entfaltung der wirtschaftlichen Innovationsund Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.Das Programm orientiert hauptsächlich darauf, Unternehmen bei derKonzipierung und Umsetzung kreativer Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen zu unterstützen. Im Mittelpunkt stehen dabei solche Vorhaben, die die Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern, Führungskräften und Organisationen aktivieren und stärken.Bei der Realisierung der betrieblichen Projekte haben sich thematischeFragestellungen herauskristallisiert, mit denen sich Unternehmen unterschiedlicher Größe und aus unterschiedlichen Branchen in eigenerRegie systematisch auseinander gesetzt haben. Sie wurden dabei ermutigt und unterstützt durch das Process-Center Kompetenzentwicklung.Eines dieser überbetrieblich interessierenden Themen ist die Einführungund Gestaltung von Gruppen- und/oder Teamarbeit unter dem besonderen Aspekt der Kompetenzentwicklung von Gruppen- und/oder Teamsprechern. Zu diesem Problemkreis hat sich eine Arbeitsgruppe aus vierUnternehmen konstituiert, die über einen Zeitraum von fast vier Jahreneinen kontinuierlichen und inhaltlich strukturierten Meinungs- und Erfahrungsaustausch geführt hat.Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Diskussion werden in der vorliegenden Handlungsanleitung in Form von vier einheitlich gegliederten Betriebsfällen dargestellt. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben sich fürdiese Darstellungsform entschieden, weil darin die Eigenständigkeit undSpezifik eines jeden Betriebs zum Ausdruck kommt und zugleich die füralle Unternehmen interessanten Probleme und Lösungsansätze bei derKompetenzentwicklung der Gruppen- und/oder Teamsprecher herausgearbeitet werden konnten.5
In der Arbeitsgruppe engagierten sich folgende Unternehmen und f Klein Rahestraße 47GmbH & Co. KG 49525 er für InteressentenKlaus-PeterLöckenerTel.: 05481-920 139Ute FehringTel.: 05481-920 142E-Mail: [email protected]: l Otto MüllerLely WelgerMaschinenfabrik StraßeGmbH38304 WolfenbüttelTel.: 05331-40 42 23Sartorius AGTel.: 0551-308 293Weender Landstra- Manfred Schmidtße 94-10837075 GöttingenWENCO-WESTGmbH & Co KGJosef-DietzgenStraße 10Oliver SchellE-Mail: [email protected]: [email protected]: 02242-88 92 171E-Mail: [email protected] traße 158UnternehmensberatungReinhäuser Landstraße 22Dr. Ursula Reuther Tel.:030-42 187 314E-Mail: [email protected] Berlin37083 GöttingenHolger MöhwaldTel.:0551-770 68 68E-Mail: [email protected] Einzelnen veranschaulichen die vier Betriebsfälle, dass Gruppenund/oder Teamarbeit a priori kein Allheilmittel für die Lösung jeglicher Artvon Problemen der Organisations- und Personalentwicklung darstellt.Versäumen es die Unternehmen, die Einführung und Gestaltung solcherArbeitsstrukturen im Zusammenhang mit ihrer gewachsenen Unternehmenskultur und ihren strategischen Zielen sorgfältig zu prüfen und abzuwägen, bleibt der Erfolg einer solchen weit reichenden Veränderung fragwürdig.Darüber hinaus zeigt sich, dass eine so gravierende Veränderung der Organisationsstruktur gründlich vorbereitet werden muss. Obwohl es sichin allen Fällen um einen relativ offenen, zugleich aber sehr komplexenVeränderungsprozess handelt, haben die Unternehmen erkannt, wie bedeutsam die Definition der Rolle und die fachliche, methodische und so6
ziale Kompetenz der Gruppen- und/oder Teamsprecher als Promotorenfür den Erfolg ist.Die Unternehmen gehen bei der Kompetenzentwicklung der Gruppenund/oder Teamsprecher unterschiedliche Wege. Die vorgestellten Fällegeben einen Einblick in die jeweiligen betrieblichen Rahmenbedingungenund in die konzeptionellen Überlegungen zur Kompetenzentwicklung. Fürden Leser ist unschwer zu erkennen, dass es keine für alle geltenden Rezepte, aber Gestaltungsansätze gibt, die bei Beachtung der spezifischenRahmenbedingungen zum Erfolg der Maßnahmen führen. Insofern wirdder interessierte Leser hoffentlich angeregt, eigene Überlegungen mitden hier vorgestellten Konzeptionen und Erfahrungen vergleichen, Artund Wirkungen der eigenen betrieblichen Rahmenbedingungen bessereinschätzen, absehbare Fehler vermeiden und vergleichbare Veränderungen mit einer größeren Sicherheit bewältigen zu können. Die genanntenAnsprechpartner in den Unternehmen stehen dabei gern mit ihren spezifischen Erfahrungen als sachkundige Diskussionspartner zur Verfügung.7
2 Erstes FallbeispielBischof Klein GmbH & Co. KG2.1 Vorstellung des Betriebs/UnternehmensDie Bischof Klein GmbH & Co. KG (B K) ist ein europäischer Produzent flexibler Verpackungen aus Kunststoff und Papier. Gegründet wurdedie Firma am 1. September 1892 als Handwerksbetrieb. Aus einem kleinen Buch- und Kunstverlag entwickelte sich in mehr als 100 Jahren einmittelständisches Industrieunternehmen. Heute wird an zwei Standortenin Deutschland (in Lengerich/Westfalen – Hauptsitz – und Konzell) produziert. 1998 wurden in Lengerich/Westfalen 494 Mio. DM, 1999 514 Mio.DM Umsatz erzielt. Die B K-Gruppe konnte 1999 einen Umsatz von975 Mio. DM verzeichnen. Zum Ende des Jahres 1999 wurden amHauptsitz 1.433 und in Konzell 385 Mitarbeiter beschäftigt. Europaweitverfügt die B K-Gruppe über elf Produktionsstätten in Deutschland,Großbritannien, Belgien, Luxemburg, Österreich und Spanien und beschäftigt mehr als 3000 Mitarbeiter.Die operativen Bereiche von Bischof Klein unterliegen einer Spartenorganisation:– Sparte I: Industrieverpackungen– Sparte II: Konsumverpackungen/technische FolienDas Produktionsprogramm von B K umfasst die gesamte Palette derflexiblen Verpackungen – von der traditionellen Industrieverpackung bishin zu Spezialfolien für technische Anwendungen. Industrieverpackungen werden überwiegend für die Segmente Chemie, Pharmazie, Baustoffe, Nahrungs- und Futtermittel sowie Torf und Erden produziert. Dazuzählen offene Säcke und Ventilsäcke aus Papier, Polyethylenfolie, Polypropylengewebe und Laminaten, Liner, Schrumpffolien, Gefahrgutverpackungen sowie Automatenfolien für alle Abfüllsysteme und unter Reinraumbedingungen hergestellte Kunststoff-Folienverpackungen.Im Bereich Konsum werden hochveredelte Verpackungen für die Segmente Lebensmittel, Hygiene, Wasch- und Reinigungsmittel, Klinik- undChemieartikel, Tiernahrung, Foto und Bau hergestellt. Schwerpunkte im8
Bereich der technischen Folien sind die Fertigung von Oberflächenschutzfolien und die Herstellung von Etikettenfolien auf Basis unterschiedlicher Klebstoffsysteme.Vor zweieinviertel Jahren wurde Gruppenarbeit in der Blasfolienextrusioneingeführt. Mehr als drei Viertel der im Rahmen der wissenschaftlichenBegleitforschung Befragten wollen weiterhin in Gruppenarbeit beschäftigt sein und äußerten sich auch dahingehend, dass sie gern in der Extrusion arbeiten.2.2 Beschreibung der Ausgangslage und des ProblemsMarktführerschaft in vielen Bereichen – modernste Technik in Produktionund Verwaltung, ein gut ausgebildeter Mitarbeiterstamm, Qualitätszertifikat nach DIN ISO 9001, Umweltzertifizierung nach EMAS – wozu alsoneue Formen der Arbeitsorganisation? Eine der Grundüberzeugungendes Unternehmens ist, dass ständige Verbesserung unumgänglich ist,um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Dies umso mehr, dasich B K als mittelständisches Unternehmen in der klassischen “Sandwich-Position” befindet: Global Player auf der Lieferantenseite und Global Player als Kunden. Ständige Verbesserung der Technik reicht nichtaus, Veränderungen auch im Denken und Handeln auf allen Ebenen sindnotwendig. Um diesem Ziel gerecht zu werden, entstand unter anderemdie Idee, in einem vollkontinuierlich arbeitenden (Teil-)Betrieb die teilautonome Gruppenarbeit einzuführen. Dieses sollte zu folgenden positivenEntwicklungen führen:––––Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs,Entwicklung einer neuen Kultur in der Arbeitswelt,Verbesserung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter,Etablierung des ständigen Lern- und Veränderungsprozesses im Betrieb,– Steigerung des Innovationspotentials der Mitarbeiter,– Verringerung des Krankenstands,– Verbesserung des externen Fehlaufwands.Wie noch näher ausgeführt werden wird, sind die Erwartungen größtenteils erfüllt worden, so dass Bischof Klein an diesem Modell festhaltenwird.9
2.3 Problemlösung durch KompetenzentwicklungIm Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms “Kompetenzentwicklung für den wirtschaftlichen Wandel – Strukturveränderungenbetrieblicher Weiterbildung” wird in der Blasfolienextrusion im Werk Lengerich Gruppenarbeit eingeführt (vgl. Tabelle 1, Abbildung 1 und Abbildung 2).Für den Extrusionsbetrieb gilt, dass die Einführung unter den besonderenBedingungen geschieht, die für die Kunststoff-, Chemie-, aber auch fürTeile der Textil-, Lebensmittel- oder Stahlindustrie gelten. Diese lassensich wie folgt charakterisieren:– Die übliche Prozess- bzw. Chargenfertigung zieht durch die direkte Verkettung großer Produktionsabschnitte in einer Anlage organisatorischeGrenzen, die damit die Abgrenzung der einzelnen Gruppen weitestgehend vorbestimmen.– Die übliche Schichtarbeit führt häufig zu Problemen in der Zusammenarbeit zwischen den Schichten insbesondere bei vollkontinuierlichenModellen.– Der kontinuierliche Produktionsprozess lässt während der Arbeit kaumFreiräume für Gruppensitzungen zu.Diese und weitere Merkmale der prozessorientierten Fertigung (vgl. Abbildung 3, S. 12) ziehen bestimmte Konsequenzen für die Einführung vonGruppenarbeit nach sich, die sich im Umsetzungskonzept und in der Vorgehensweise der Extrusion und insbesondere auch bei der Ausgestaltung der Gruppensprecherfunktion widerspiegeln.Tabelle 1Allgemeine Daten zum ruppenarbeit seit01.01.1998betroffene BereicheDurchfahrbetrieb Produktion Blas- undGießfolieAnzahl der Mitarbeiter in diesen Bereichen– davon in Gruppenarbeit746810
KriterienBedingungenDefinition GruppeGruppe SchichtAnzahl der Gruppen4 Gruppen (A – D)Anzahl der Gruppenmitgliederjeweils 17Vorgesetzter der GruppeExtrusionsmeister (2 für 4 Schichtgruppen)Vertretung nach außen und Koordinationnach innen2 gewählte Gruppensprecherneue Funktionen innerhalb der mLenkungsausschuss (GF, BR, Pers.,Techn.-Ltg., Betr.-Ltg., Prozessbegl.)Prozessbegleitungbis 12/’98 durch Personalabteilung und externen Beraterab 1/’99 intern durch neue Stelle “Organisationsentwicklung”Abbildung 1Aufbauorganisation der Extrusion vor und mit Gruppenarbeit11
Abbildung 2Leitbild zur Einführung von Gruppenarbeit in der ExtrusionAbbildung 3Merkmale der prozessorientierten Fertigung12
Die Extrusion hat ihre Arbeitsorganisation im Durchfahrbetrieb Blasfolie/Filmex zum 01. Januar 1998 auf teilautonome Gruppenarbeit umgestellt. An der Planung haben die Mitarbeiter im Rahmen ihrer Gruppensitzungen, die seit Januar 1997 stattfinden, mitgewirkt. Dabei ging es u. a.um die Anpassung des Schichtsystems, die Neuverteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Zuständigkeiten zwischen Gruppen, Meisternund Betriebsleitung sowie die Koordination innerhalb der Gruppen undihre Vertretung nach außen. Die Projektmeilensteine der Konzeptionsphase zeigt Tabelle 2.Tabelle 2Projektmeilensteine der KonzeptionsphaseWas?Wann?Kickoff-Workshop mit LenkungsausschussNov. 1996Erste Information der Mitarbeiter über das ProjektDez. 1996Start der GruppensitzungenJan. 1997Führungskräftetraining:(2. Teil Juni, 3. Teil Nov.)Apr. 1997Entscheidung für GruppenarbeitJuni 1997Information der Mitarbeiter über GruppenarbeitskonzeptJuli 1997Entscheidung über verändertes Arbeitszeitmodellund GruppenbildungSept./Okt. 1997Festlegung der zukünftigen GruppenaufgabenOkt./Nov. 1997Abschluss der Betriebsvereinbarung “Gruppenarbeit”Okt. 1997Abschluss der Betriebsvereinbarung zum erweitertenDurchfahrbetriebNov. 1997Die Gruppensitzungen werden in der Extrusion nach der Arbeitszeitdurchgeführt, da ein Abstellen der Anlagen für diese Sitzungen nicht wirtschaftlich wäre. Die Teilnahme an den Gruppensitzungen ist freiwillig undwird wie Mehrarbeit vergütet. Die Gruppen treffen sich jeweils monatlichnach der Frühschicht für etwa zwei Stunden.Um sinnvoll als Gruppe arbeiten und bestehen zu können, ist einekonstante Besetzung unerlässlich. Dieser Grundvoraussetzung trug B K Rechnung, indem die zwei parallel existierenden Schichtmodelle derBlasfolienextrusion (ein 3-Schicht- und ein 4-Schicht-Modell) zu einemeinheitlichen 4-Schicht-Modell zusammengefasst wurden (vgl. Abbil13
dung 1, S. 11). Die schon bestehende Zusammenarbeit der Mitarbeiterdes “alten” 4-Schicht-Betriebs und die Integration der “neuen” Mitarbeiter konnte durch eine begleitende zweitägige Teamentwicklungsmaßnahme unterstützt werden, die für jede der neugebildeten Schichtendurchgeführt wurde.Die ehemaligen Schichtmeister arbeiten nach einer Übergangsphaseheute als Extrusionsmeister in Tagschicht. Ihr Aufgabenprofil hat sichstark verändert, da viele ihrer früheren Tätigkeiten von den Gruppen übernommen wurden, andererseits aber auch gänzlich neue Aufgaben durchGruppenarbeit hinzugekommen sind wie z. B. die Auswertung gruppenbezogener Kennzahlen (Ordnung und Sauberkeit, Abweichungsmeldung– AWM, Ausschuss insgesamt, Teilnahme an Gruppensitzungen). Früherwaren die Meister umfassend zuständig für die Schichteinteilung, die Urlaubsplanung und sämtliche Maschinenprobleme im Tagesgeschäft. Dadiese Aufgaben des Tagesgeschäfts jetzt hauptsächlich von den Gruppensprechern übernommen werden, sind die Meister heute mehr für dieAufgaben an Schnittstellen mit anderen Bereichen zuständig. So sind siez. B. zusammen mit der Arbeitsvorbereitung in den Planungsvorgang eingebunden und koordinieren logistische Abläufe. Darüber hinaus führensie Mitarbeitergespräche, übernehmen die Personalplanung für das Wochenende und die maschinelle Feinplanung in Zusammenarbeit mit denGruppensprechern.2.4 Kompetenzentwicklung von GruppensprechernFormale VoraussetzungenäEinsetzung der GruppensprecherDie ehemaligen Schichtführer des 4-Schicht-Betriebs wurden für ein Jahrals Gruppensprecher eingesetzt, zusätzlich konnten die jeweiligen Gruppen einen stellvertretenden Gruppensprecher wählen. Nach einem Jahrwurde von allen Beteiligten entschieden, dass zwei gleichwertige Gruppensprecher gewählt werden, die sich vertreten und in der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben monatlich abwechseln.äAufgaben der GruppensprecherAufgaben der Gruppensprecher in der Extrusion betreffen im Wesentlichen die14
– Sicherstellung eines geregelten Informationsflusses innerhalb der eigenen und zwischen Gruppen sowie zwischen Gruppe und Vorgesetzten,– Koordination des Produktionsablaufs während der laufenden Schicht,– Organisation, Vor- und Nachbereitung sowie Moderation der Gruppensitzungen,– Auswertung der Gruppensitzungen mit ihren Gruppensprecher-Kollegen der anderen Schichten und den Extrusionsmeistern, umpositive Erfahrungen z. B. mit Regelungen für die interne Organisationin die anderen Gruppen weiterzutragen.äStatus der GruppensprecherMit Einführung der Gruppenarbeit in der Blasfolienextrusion bei B Kwurden die Funktionen des Schichtmeisters (heute Extrusionsmeister)und des 4-Schichtführers (heute z. T. Gruppensprecher) aufgehoben. DieGruppensprecher arbeiten als Maschinenführer in der Gruppe mit, habenaber durch die Definition ihrer Aufgaben als Informationsschnittstelle zwischen Gruppe und Meistern bzw. Betriebsleitung sowie durch die zusätzliche Vergütung natürlich eine gewisse Sonderfunktion.äPerson der GruppensprecherDie vielfältigen und hohen Anforderungen, die an die Gruppensprecher inder Extrusion gestellt werden, beziehen sich auf fachliche Kenntnisse,Fertigkeiten und Fähigkeiten, aber auch auf Einstellungen und Verhaltensweisen sowie persönliche Eigenschaften. Dies setzt auf Seiten derGruppensprecher auch eine gewisse Bereitschaft voraus, sich mit eigenem Verhalten zu beschäftigen, möglicherweise unangenehmes Feedback über problematisches Verhalten aushalten zu können und sichselbst in dieser Hinsicht weiterentwickeln zu wollen.Zum “Rüstzeug” eines guten Gruppensprechers zählen daher vor allem– Lernbereitschaft, um Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen,– Selbstvertrauen, um sich z. B. freies Reden vor Gruppen zuzutrauen,– Übersicht, um auch in kritischen Situationen einen klaren Kopf zu behalten, und nicht zuletzt– Frustrationstoleranz, um nach Rückschlägen nicht die Lust zu verlierenund mit Enttäuschungen fertig zu werden.15
äGruppensprecher-VergütungDie Gruppensprecher erhalten eine Funktionszulage, die entfällt, wennjemand nicht wieder gewählt wird oder von dieser Funktion zurücktritt.Anlässe und Maßnahmen zur KompetenzentwicklungZur Wahrnehmung der beschriebenen Aufgaben wird von den Gruppensprechern verstärkt methodische Kompetenz gefordert zur– Moderation von Sitzungen,– Erarbeitung von Problemlösungen oder– Verbesserung betrieblicher Abläufe.In Betrieben mit vollkontinuierlicher Fertigung besteht ein erhöhter Abstimmungs- und Informationsbedarf zwischen den Gruppen, für den inVerbindung mit der Einführung von Gruppenarbeit Mechanismen, dieüber die Schichtübergabe hinausgehen, gefunden werden müssen. Hiersind insbesondere die Gruppensprecher als Informationsschnittstelle gefordert. Konkret wurden bei B K folgende Maßnahmen umgesetzt:– Teilnahme des Gruppensprechers der jeweiligen Frühschicht an dertäglichen Abteilungsbesprechung;– Durchführung regelmäßiger Erfahrungsaustauschtreffen zwischenGruppensprechern aller vier Gruppen und Meistern, Betriebs- undtechnischer Leitung, um Probleme, aber auch Erfolge bei der Umsetzung der Gruppenarbeit sowie anstehende technisch-organisatorischeVeränderungen oder Verbesserungsvorschläge aus den Gruppen zubearbeiten;– Durchführung regelmäßiger Erfahrungsaustauschtreffen zwischenGruppensprechern als Teil ihrer Ausbildung, um die eigene Rolle unddie Umsetzung der neuen Aufgaben zu reflektieren und Möglichkeitenzur eigenen Weiterentwicklung zu entdecken sowie zur Abstimmunggruppenübergreifender Spielregeln oder Zusammenführung von Ergebnissen aus den Gruppensitzungen.Um diesen neuen Aufgaben gerecht werden zu können, wurden dieGruppensprecher im ersten Schritt in zwei zweitägigen Seminaren geschult. In den Seminaren wurde zunächst das nötige Handwerkszeug zur– Moderation,16
– Präsentation und Visualisierung sowie– zur methodischen Unterstützung bei Problemlösungen sowieWissen über gruppendynamische Prozesse hinsichtlich– Kommunikation,– Kooperation und Konkurrenz,– Entscheidungs- und Konfliktverhaltenvermittelt und trainiert (vgl. Tabelle 3).Darüber hinaus wurde kontinuierlich die Wahrnehmungsfähigkeit für eigenes und fremdes Verhalten entwickelt, um u. a. im Rahmen des begleitenden Coachings,– die eigene Arbeit als Gruppensprecher reflektieren,– eigenes Verhalten sowie Kommunikations- und Kooperationsverhalteneinschätzen und– Gruppenprozesse erkennen, interpretieren und positiv beeinflussen zukönnen.Die in den Seminaren erarbeiteten Grundlagen werden unter Supervisionder Prozessbegleitung in betrieblichen Situationen umgesetzt und vertieft. Die notwendige individuelle Betreuung findet im Rahmen einesTabelle 3Maßnahmen zur Erhöhung der Methoden- und Sozialkompetenz n in GruppenDauer/Häufigkeit2 x 2 Tage und fortlaufendnach jeder GruppensprecherwahlDurchführungextern, vorgegebenTeamentwicklungsseminar1,5 Tage/Gruppeextern, vorgegebenGruppencoaching im Rahmen des Erfahrungsaustauschs Gruppensprecheretwa alle 8 Wochen über2 JahreinternEinzelcoaching in Zweieroder Dreier-Gesprächen alsSupervision in Gruppensitzungenmindestens 1 x monatlichüber 2 Jahreintern17
Coachings statt (vgl. Tabelle 3). Ein wichtiger Bestandteil des Gruppencoachings und der externen Seminare sind die Vereinbarung und Einübung von Feedback-Mechanismen unter den Gruppensprechern, umeine offene Kommunikation und gegenseitige Entwicklung zu fördern.Außerdem haben die Gruppensprecher als Teil ihrer Gruppe an einem anderthalbtägigen Teamentwicklungsseminar teilgenommen.Die Basis-Schulungen werden nach jeder Gruppensprecherwahl wiederholt oder neugewählte Gruppensprecher durchlaufen diese Schulungenim Rahmen des hausinternen Weiterbildungsprogramms.Alle in Tabelle 3 beschriebenen Maßnahmen wurden von der Prozessbegleitung durchgeführt und zielen auf die Entwicklung der Methoden- undSozialkompetenz der Gruppensprecher. Eine Erhöhung der Fachkompetenz wurde durch die stärkere Einbeziehung in die betrieblichen Abläufeund bessere Information im Rahmen der genannten Besprechungen erreicht.2.5 AuswertungDie Veränderung einer traditionellen, hierarchischen und arbeitsteiligen Organisation hin zu flexiblen, selbstorganisierten Einheiten ist ein komplexesVorhaben, das selbst unter günstigen Bedingungen mehrere Jahrebraucht, um seine vollen Effekte entfalten zu können. Die folgendenexemplarischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass man auf einem gutenWeg ist, die angestrebten Ziele zu erreichen, wenn die Umsetzung derneuen Arbeitsorganisation auch weiterhin konsequent betrieben wird:– In einer schriftlichen Befragung der wissenschaftlichen Begleitforschung sagten fast 80 Prozent der Mitarbeiter, dass sie auch weiterhinin Gruppenarbeit tätig sein wollen.– Die Teilnahme an den freiwilligen Gruppengesprächen liegt im Durchschnitt in allen vier Gruppen bei 82 Prozent. Von den geplanten Gruppensitzungen fanden 1999 94 Prozent statt.– Die wesentlich bessere und häufigere Kommunikation zwischen Mitarbeiter- und Führungsebene führt dazu, dass Mitarbeiter aktiv weiterenotwendige Maßnahmen zum Ausbau der bisher erzielten Fortschritteund zur Beseitigung bestehender Schwachstellen bei ihren Führungskräften einfordern.– Die Entwicklung des Krankenstands war günstig.18
– Die externe Ausschussquote hat sich bei einem schwierigeren Umfeldverbessert.Um die Meinung der Mitarbeiter zum Stand der Gruppenarbeit zu erfahren, wurde Ende 1998 durch die Prozessbegleitung eine Befragung mitfolgenden Schwerpunktthemen durchgeführt:––––––generelle Zufriedenheit mit der en,Veränderungen der eigenen Arbeitssituation,momentane Stimmungslage in Bezug auf die Gruppenarbeit.Daraus sollen an dieser Stelle auszugsweise einige Ergebnisse genanntwerden:– 93 Prozent der Mitarbeiter sagten, dass sie gern oder sehr gern in derExtrusion arbeiten und 96 Prozent gaben an, dass sie sich in ihrer jeweiligen Gruppe meistens oder immer wohlfühlen.– Nach ihrer augenblicklichen Stimmungslage in Bezug auf Gruppenarbeit gefragt, antworteten die Mitarbeiter nach vorgegebenen Begriffenwie in Abbildung 4 dargestellt.Abbildung 4Stimmungslage zur Gruppenarbeit19
Die Arbeit der Gruppensprecher wurde von den jeweiligen Kollegen folgendermaßen beurteilt:– Im Durchschnitt aller vier Gruppen waren 87 Prozent zufrieden odersehr zufrieden mit dem Einsatz der Gruppensprecher für ihre Gruppe,wobei der Anteil der Unzufriedenen in den einzelnen Gruppen zwischen 0 und 38 Prozent schwankte.– Bei der Weitergabe von Informationen z. B. aus gruppenübergreifenden Sitzungen mit den anderen Gruppensprechern und Führungskräften wurde der größte Nachholbedarf gesehen: Immerhin 28 Prozentder Gruppenmitglieder gaben an, dass sie damit unzufrieden oder sogar sehr unzufrieden sind.– Mit der Moderation der Gruppensitzungen durch die Gruppensprecherwaren über alle vier Gruppen hinweg 93 Prozent der Gruppenmitglieder zufrieden oder sehr zufrieden. Auch hier gab es aber deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen: 18 Prozent der Mitglieder einerGruppe, die sehr unzufrieden mit ihren Gruppensprechern hinsichtlichder Moderation von Gruppensitzungen waren, standen in einer anderen Gruppe 40 Prozent gegenüber, die damit sehr zufrieden waren.Diese Ergebnisse machen einerseits deutlich, dass bereits nach einemknappen Jahr die Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung der Gruppensprecher sichtbare Früchte tragen und die neuen Aufgaben, die im bisherigen Berufsleben der Gruppensprecher keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielten, zufriedenstellend umgesetzt werden. Andererseitszeigen die z. T. deutlichen Unterschiede in der Beurteilung der Aufgabenerfüllung der Gruppensprecher den Bedarf nach individueller Weiterentwicklung und Betreuung, dem durch das Einzelcoaching sowie durchkontinuierliche Prozessbegleitung Rechnung getragen wurde und wird.Ute Fehring und Carsten Niekamp20
3 Zweites FallbeispielLely Welger Maschinenfabrik GmbH3.1 Vorstellung des UnternehmensDie Firma Lely Welger Maschinenfabrik GmbH (kurz Welger) ist seit 1899am Standort Wolfenbüttel mit Entwicklung, Produktion und Vertrieb vonMaschinen für die Agrartechnik ansässig. Innovationen und Weiterentwicklungen sowie die Ergänzung des Pressenprogramms um spezielleBallenpressen in stationärer Ausführung zum Verdichten von voluminösen Abfallstoffen wie Papier oder Kartonagen bilden den Schwerpunktder Unternehmenstätigkeiten.Bedingt durch die Entwicklung der Marktsituation ist die Belegschaft zuBeginn der neunziger Jahre um ca. 400 Mitarbeiter reduziert worden undbeträgt derzeit etwa 450 Mitarbeiter. Dieser Personalabbau wurde unterNutzung gesetzlicher Regelungen sozialverträglich gestaltet, indem betriebsbedingte Kündigungen die Ausnahme bildeten. Auf diese Art wurdeein positives und offenes Arbeitsklima im Unternehmen erhalten, das aufder vorwiegend langjährigen Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter beruht und eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen sichert.Im Verlauf des Jahres 1995 wurde bei Welger ein Reorganisationskonzept erstellt, das den Namen “Welger 2000" trägt und in dem Ziele,Grundlagen, geplante und projektierte Umstrukturierungen skizziert, erläutert und präzisiert wurden.Anlass der Reorganisationskonzepte waren Probleme in der Produktionsund Logistikstruktur: Lagerbestände, Durchlaufzeiten, das Prinzip derAuslastungsorientierung statt der Kundenorientierung, Rüstzeitanteile inder Fertigung sowie zentrale Disposition und Steuerung.Forderung für die Gestaltung des neuen Konzepts war, vorhandene Bestrebungen, zu anderen Arbeitsorganisationsformen zu gelangen, mitwirtschaftlichen Zielsetzungen zu verbinden.Der erarbeitete Lösungsansatz bestand im Wesentlichen aus zwei Kernpunkten:21
– Fertigungssegmentierung zur Beherrschung der Komplexität und– Gestaltung der Arbeitsplätze nach zeitgemäßen Grundsätzen, d. h.Einführung von Gruppenarbeit und Schulung der Mitarbeiter.Die Umgestaltung der Fertigung wurde nach dem Prinzip der produktgruppenorientierten Segmentierung realisiert, wobei die Ausgestaltungder Hallenlayouts, der Materialflusswege etc. durch die Beteiligung derMitarbeiter der zukünftigen Segmente bzw. Fertigungsinseln erfolgte.Mit dieser Vorgehensweise wurden von den Mitarbeitern akzeptierte,weil von ihnen mitgestaltete, Lösungen erreicht. Parallel zur Umstrukturierung der Aufbauorganisation wurde eine Verlagerung indirekter Funktionen in die Segmente, eine Neuerung der Ablauforganisation, die verbunden mit der flächendeckenden Einführung von Gruppenarbeit im gesamten Unternehmen war, durchgeführt.Gruppenarbeit fand in drei Pilotbereichen bereits vor der Umstrukturierung statt, wobei Montagebereiche die Vorreiterfunktion übernommenhatten. Bereits zum Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre wurde Gruppenarbeit mit Umgestaltung der Fertigungsbereiche in derPressenmontage, dem Aufsammlerbau und der Entsorgungstechnik eingeführt. Diese Pilotinseln können als Wegbereiter zur unternehmensweiten Umgestaltung angesehen werden. Eine Betriebsvereinbarung ausdem Jahr 1993 regelt Grundsätze, Prinzipien, Aufgaben und Ziele derGruppenarbeit bzw. der Gruppen.3.2 Beschreibung der Ausgangslage und des ProblemsDer Übergang zur Tätigkeit in den Inseln der Fertigungssegmente erforderte von den Mitarbeitern und Führungskräften des Unternehmensneue, umfangreiche Lernprozesse, die auf den Erwerb sow
chern – Fallbeispiele aus vier Unternehmen” entstand im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms “Kompetenzentwicklung für . Blasfolienextrusion (ein 3-Schicht- und ein 4-Schicht-Modell) zu einem einheitli