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DEREUROPÄISCHEGESUNDHEITSBERICHTWesentliche Perspektiven

Die Weltgesundheitsorganisation wurde 1948 alsSonderorganisation der Vereinten Nationen gegründet. Sie fungiert als leitende und koordinierende Stelle auf dem Gebiet des internationalenGesundheitswesens und in Fragen der öffentlichen Gesundheit. Zu den in der Satzung verankerten Aufgaben der WHO gehört es, auf dem Gebietder menschlichen Gesundheit objektive und zuverlässige Informationen zu liefern und beratendtätig zu sein. Dieser Verantwortung wird sie teilweise durch ihre Publikationsprogramme gerecht,mit denen sie den Ländern dabei behilflich seinmöchte, politische Handlungskonzepte zu entwickeln, die der Gesundheit ihrer Bevölkerung dienen und die ihre dringlichsten gesundheitspolitischen Anliegen in Angriff nehmen.Das WHO-Regionalbüro für Europa ist eines vonsechs in allen Teilen der Welt angesiedelten Regionalbüros, von denen jedes sein eigenes, auf diebesonderen gesundheitlichen Probleme der vonihm betreuten Mitgliedstaaten abgestimmtes Programm hat. In der Europäischen Region leben fast900 Mio. Menschen in einem Gebiet, das sich vomNordpolarmeer im Norden bis zum Mittelmeer imSüden und vom Atlantischen Ozean im Westenbis zum Pazifischen Ozean im Osten erstreckt.Das Programm der WHO für die Europäische Region unterstützt alle dortigen Mitgliedstaaten beider Entwicklung und Erhaltung ihrer eigenen Gesundheitspolitik, -systeme und -programme; eshilft ihnen ferner dabei, Gesundheitsgefahren zuverhüten bzw. zu überwinden, sich auf künftigegesundheitliche Herausforderungen einzustellenund für Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit einzutreten und diese umzusetzen.Um eine möglichst breite Verfügbarkeit ihrer autoritativen Informationen und ihrer gesundheitlichen Leitlinien zu gewährleisten, sorgt die WHOfür eine weite internationale Verbreitung ihrer Publikationen und fördert auch deren Übersetzungund Anpassung. Die Bücher der WHO tragen zumSchutz und zur Förderung von Gesundheit sowiezur Prävention und Bekämpfung von Krankheitbei. Damit sind sie auch ein Beitrag zur Verwirklichung des Hauptziels der Organisation, allenMenschen die Erreichung eines möglichst gutenGesundheitszustands zu ermöglichen.

DER EUROPÄISCHEGESUNDHEITSBERICHT2018Mehr als nur Zahlen – Evidenz für alleWesentliche Perspektiven

Der Europäische Gesundheitsbericht 2018. Mehr als nur Zahlen – Evidenz für alle.Wesentliche PerspektivenSchlüsselwörter: Delivery of health care – epidemiology and statistics Health policy Health status indicators Public health – trends Mortality – statistics Regional health planning.ISBN 9789289053464Anfragen zu Publikationen des WHO-Regionalbüros für Europa richten Sie bitte an:PublicationsWHO Regional Office for EuropeUN City, Marmorvej 51DK-2100 Kopenhagen Ø, DänemarkWenn Sie Dokumente oder Gesundheitsinformationen anfordern oder eine Genehmigung zum Zitieren oderÜbersetzen einholen wollen, füllen Sie bitte auf der Website des Regionalbüros für Europa ein entsprechendes Online-Formular aus (http://www.euro.who.int/PubRequest?language German). Weltgesundheitsorganisation 2018Alle Rechte vorbehalten. Das Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation begrüßt Anträge auf Genehmigung zur partiellen oder vollständigen Reproduktion oder Übersetzung seiner Publikationen.Die in dieser Publikation benutzten Bezeichnungen und die Darstellung des Stoffes beinhalten keine Stellungnahmeseitens der Weltgesundheitsorganisation bezüglich des rechtlichen Status eines Landes, eines Territoriums, einerStadt oder eines Gebiets bzw. ihrer Regierungs-/Verwaltungsinstanzen oder bezüglich des Verlaufs ihrer Staats- oderGebietsgrenzen. Gestrichelte Linien auf Karten bezeichnen einen ungefähren Grenzverlauf, über den möglicherweisenoch keine vollständige Einigkeit besteht.Die Erwähnung bestimmter Firmen oder Erzeugnisse bedeutet nicht, dass diese von der Weltgesundheitsorganisation unterstützt, empfohlen oder gegenüber ähnlichen, nicht erwähnten bevorzugt werden. Soweit nicht ein Fehler oderVersehen vorliegt, sind die Namen von Markenartikeln als solche kenntlich gemacht.Die Weltgesundheitsorganisation hat alle angemessenen Vorkehrungen getroffen, um die in dieser Publikation enthaltenen Informationen zu überprüfen. Dennoch wird das veröffentlichte Material ohne irgendeine explizite oder implizite Gewähr herausgegeben. Die Verantwortung für die Deutung und den Gebrauch des Materials liegt bei derLeserschaft. Die Weltgesundheitsorganisation schließt jegliche Haftung für Schäden aus, die sich aus dem Gebrauchdes Materials ergeben. Die von den Autoren, Redakteuren oder Expertengruppen geäußerten Ansichten sind nichtunbedingt Ausdruck der Beschlüsse oder der erklärten Politik der Weltgesundheitsorganisation.

DER EUROPÄISCHEGESUNDHEITSBERICHT2018Mehr als nur Zahlen – Evidenz für alleWesentliche Perspektiven

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 2018ÜBERBLICKDer Weg zu „Gesundheit 2020“ glich in vielerlei Hinsicht einer Entdeckungsreise. Die Ausgabe 2018des Europäischen Gesundheitsberichts (1) ist zu einem großen Teil der Analyse der wichtigsten Trendsgewidmet, die dem aktuellen Status von Gesundheit und Wohlbefinden in Europa zugrunde liegen. Diesedetaillierte Bewertung, die in erster Linie auf traditionellen, quantitativen Methoden der Datensammlungberuht, verfolgt die Bemühungen der Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO zur Verwirklichung der sechs Dachziele von „Gesundheit 2020“ (2, 3). Seit seiner Einführung hat dieses bahnbrechende Rahmenkonzept jedoch eine umfassendere Vision gefördert, in der diese konventionellen, statistischen Formen von Daten durch ein breites Spektrum an qualitativer Evidenz und Evidenz aus neuenQuellen ergänzt werden, die einen umfassenderen und ausgewogeneren Blick auf die Gesundheit unddas Wohlbefinden der Bewohner der Europäischen Region im 21. Jahrhundert bieten.In den beiden vorherigen Ausgaben des Europäischen Gesundheitsberichts wurden die früheren Etappendieser Reise beschrieben: In der Ausgabe von 2012 wurden die Ziele festgelegt und die wichtigstenSchwierigkeiten bei der Messung von Gesundheit aufgezeigt, und es wurde ein Weg zu mehr Wohlbefinden aufgezeigt (4), während in der Ausgabe von 2015 mit dem Untertitel „Neue Dimensionen der Evidenz“ ein Paradigmenwechsel im Bereich der öffentlichen Gesundheit anerkannt wurde, bei dem bereitsdie Verlagerung des Schwerpunkts von Tod und Krankheit zu Gesundheit und Wohlbefinden begonnenhatte (5). In der Ausgabe von 2018 wird das Thema auf den neuesten Stand gebracht und beschrieben,wie die Mitgliedstaaten, aktiv unterstützt durch eine Reihe von Initiativen des WHO-Regionalbüros fürEuropa, damit begonnen haben, die Evidenzgrundlage über Zahlen und Statistiken hinaus zu erweitern,indem sie Daten aus den sogenannten Medical Humanities und den Sozialwissenschaften einbeziehenund Schilderungen subjektiver Erfahrungen aus dem wahren Leben auswerten. Mit diesem ganzheitlichen Mischansatz konnten Gesundheitstrends analysiert werden, die die sozialen und kulturellen Antriebskräfte von Gesundheit und Wohlbefinden wirklich untersuchen und die Beschreibung in Form vonAntworten auf „was“ und „wie viel“ durch eine erklärende Antwort auf die Frage „warum“ ergänzen. Aufdiese Weise hat der Ansatz verschiedene im Zentrum von „Gesundheit 2020“ stehende Kernwerte wiedie Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft, die Befähigung der Gesellschaft zu selbstbestimmtem Handeln und einen Lebensverlaufansatz in den Vordergrund der neuen Forschungsagenda gerückt.Es ist jedoch klar, dass die Fokussierung auf neue Forschungsmethoden allein nicht ausreicht, um dasin „Gesundheit 2020“ formulierte Ziel zu verwirklichen, ausgewogene, nachhaltige und allgemein zugängliche Gesundheitsversorgungssysteme einzurichten, die patientenorientiert sind und den Einzelnen die Kontrolle über die Entscheidungen geben, die ihr Leben am meisten beeinflussen. BelastbareGesundheitsinformationen müssen in solides politisches Handeln umgesetzt werden. Zu diesem Zweckwird im Gesundheitsbericht 2018 ein neuer Schwerpunkt auf die Verwendung der Daten gelegt, wobeieine wirksame Wissensumsetzung die Lücke zwischen Forschung und Politik schließen und als Katalysator für eine evidenzgeleitete Politikgestaltung dienen soll.5

6Der Europäische Gesundheitsbericht 2018 / WESENTLICHE PERSPEKTIVENFORTSCHRITTE AUF DEM WEG ZU „GESUNDHEIT 2020“Die Bedeutung neuer, nicht-traditioneller Methoden zur Gewinnung qualitativer Daten mag inzwischenweithin anerkannt sein, doch sind traditionelle, statistische Daten – beispielsweise zu Mortalität, Morbidität und Behinderung – nach wie vor unverzichtbar; solche Daten bilden das Rückgrat einer fundiertenBewertung der Fortschritte bei der Verwirklichung der Dachziele von „Gesundheit 2020“ im EuropäischenGesundheitsbericht. Nachdem inzwischen deutlich mehr als die Hälfte des Umsetzungszeitraums abgelaufen ist, zeigt diese Bewertung, dass die meisten Mitgliedstaaten wesentliche Schritte unternommenhaben, um die sechs Dachziele zu verwirklichen. Es ist jedoch klar, dass die Fortschritte innerhalb derEuropäischen Region uneinheitlich sind, und zwar innerhalb von wie auch zwischen Ländern, zwischenden Geschlechtern und zwischen den Generationen.Lebensstilbedingte Risikofaktoren, insbesondere Übergewicht und Adipositas,geben Anlass zur SorgeDACHZIEL 1 Senkung der vorzeitigen Mortalität in der Europäischen Region bis2020Die Europäische Region ist auf bestem Wege, das Dachziel von „Gesundheit 2020“ in Bezug auf dieSenkung der vorzeitigen Mortalität aufgrund der vier wichtigsten nichtübertragbaren Krankheiten –Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und chronische Atemwegserkrankungen – um jährlich1,5% bis 2020 zu erreichen. Bei den Erwachsenen im Alter von 30 bis 69 Jahren ging die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund dieser Krankheiten von 421 pro 100 000 EW im Jahr 2010 auf 379 Todesfälle pro 100 000 EW im Jahr 2014 zurück; ähnliche Fortschritte wurden bei der Mortalität aufgrundaller Ursachen (alle Altersgruppen) erzielt, die zwischen 2010 und 2015 von 786 auf 715 Todesfälle pro100 000 EW sank. Die Fortschritte sind jedoch nicht einheitlich, und es bestehen weiterhin große Ungleichheiten in Bezug auf die Mortalitätsraten, sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zwischenLändern. Und es besteht die Gefahr, dass sich die positiven Trends umkehren, wenn die Risikofaktorennicht angegangen werden. Auch wenn der Alkoholkonsum in der Europäischen Region insgesamt rückläufig ist, so ist er dochin der erwachsenen Bevölkerung immer noch höher als in allen anderen WHO-Regionen. Besondersauffällig sind die unterschiedlichen Konsumwerte zwischen den Ländern, die 2014 von jährlich 1,1bis 15,2 Liter pro Kopf reichten.

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 2018Der Alkoholkonsum in der Europäischen Region derWHO ist rückläufig. Die Konsumwerte in der Regionliegen jedoch höher als anderswo in der Welt undunterscheiden sich erheblich zwischen den Ländern.Pro Person über 15 Jahre pro Jahrkonsumierter reiner Alkohol (2014)15,2 Liter1,1 LiterHöchster Wert in der RegionNiedrigster Wert in der Region Der Anteil der rauchenden Erwachsenen ist in der Europäischen Region höher als in den übrigenWHO-Regionen: 29% der Altersgruppe ab 15 Jahre rauchen. Übergewicht und Adipositas sind in fast allen Mitgliedstaaten im Aufwärtstrend, mit erheblichen Unterschieden zwischen Ländern, unter den Jugendlichen und zwischen den Geschlechtern. Bei Übergewicht stiegen die Raten von 55,9% im Jahr 2010 auf 58,7% im Jahr 2016, bei Adipositas von 20,8%auf 23,3%. In den meisten Ländern waren mehr Männer übergewichtig als Frauen, doch litten mehrFrauen an Adipositas als Männer.Der prozentuale Anteil der adipösen bzw.übergewichtigen Bevölkerung steigt in derEuropäischen Region der 8%201623,3%Zwischen den Ländern und den Geschlechtern bestehen Unterschiede.7

8Der Europäische Gesundheitsbericht 2018 / WESENTLICHE PERSPEKTIVENDie Durchimpfung von Kindern ist im Durchschnitt in der gesamten Europäischen Region hoch; in einigen Ländern sind jedoch sorgfältige Kontrollmaßnahmen und eine umfassendere Einhaltung von Impfplänen erforderlich. Die Durchimpfung hat sich verbessert und 2015 94,3% für Masern und 96,1% fürPolio erreicht. Dennoch bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen Ländern – 2015 verzeichneten mehrere Länder noch Durchimpfungsraten von unter 90% –, und in einigen Mitgliedstaatenbestehen Impflücken aufgrund unzureichender Impfmaßnahmen gegen Masern.Die Zahl der Todesfälle aufgrund äußerer Ursachen (Verletzungen und Vergiftungen) ist in der Europäischen Region stetig zurückgegangen: von 82 Todesfällen pro 100 000 EW im Jahr 2000 auf 57 imJahr 2010 und auf 50 im Jahr 2015. Dennoch gibt es weiterhin Anlass zu ernsthafter Sorge, dass 2015die Rate solcher Todesfälle bei Männern 3,3-mal höher war als bei Frauen.Die Anzahl der Todesfälle infolge von Verletzungen undVergiftungen ist in der Europäischen Region der WHOrückläufig. Zwischen den Ländern und den Geschlechternbestehen jedoch Ungleichheiten.Anzahl der Todesfälle infolge vonVerletzungen und Vergiftungenpro 100 000 Einwohner (2015)9521Höchster Wertin der RegionNiedrigster Wertin der RegionDreimal so viele Männerwie Frauen sterben anVerletzungenDie Lebenserwartung steigt weiter – aber große Unterschiede bestehen fortDACHZIEL 2 Erhöhung der Lebenserwartung in der Europäischen RegionDie Lebenserwartung in der Europäischen Region steigt, während die Unterschiede bei der Lebenserwartung sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zwischen Ländern kleiner werden. Dennoch beträgt der Unterschied zwischen den Ländern mit der höchsten und der niedrigsten Lebenserwartungimmer noch mehr als ein Jahrzehnt, weshalb es einer sorgfältigen Beobachtung bedarf, um sicherzustellen, dass sich der positive Trend fortsetzt.Zwischen 2010 und 2015 stieg die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in der Europäischen Region von 76,7 Jahren auf 77,9 Jahre. 2015 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung vonMännern 74,6 Jahre und von Frauen 81,2 Jahre. Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen denGeschlechtern hat sich weiter verringert, von 6,9 Jahren 2010 auf 6,6 Jahre 2015. Der Unterschied zwischen dem Land mit der höchsten Lebenserwartung (83,1 Jahre) und demjenigen mit der niedrigstenLebenserwartung (71,6 Jahre) betrug 2015 jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt.

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 2018Die Lebenserwartung in der Europäischen Region derWHO steigt. Zwischen den Ländern und denGeschlechtern bestehen jedoch Ungleichheiten.Lebenserwartung beiGeburt (2015)83,1Jahre71,6JahreHöchster Wertin der RegionNiedrigster Wertin der RegionIm Durchschnitt lebenFrauen 6,6 Jahre länger alsMänner (2015).2015Die Länder zeigen Engagement für die Bekämpfung von UngleichheitenDACHZIEL 3 Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten in der Europäischen Region(Ziel in Bezug auf die sozialen Determinanten)Insgesamt haben sich die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei den Indikatoren in Bezugauf die sozialen Determinanten von Gesundheit – Kindersterblichkeit, Lebenserwartung, Grundschulbesuchsquote und Arbeitslosigkeit – verringert. Erfreulicherweise ist die Zahl der Länder, die Strategienzur Bekämpfung von Ungleichheiten eingeführt haben, von 29 der 53 Länder der Region im Jahr 2010auf 42 Länder im Jahr 2016 gestiegen. Doch trotz dieser positiven Anzeichen bleiben die absoluten Unterschiede zwischen Ländern sehr groß, was signalisiert, dass in bestimmten Fällen wirksamere Maßnahmen ergriffen werden müssen.Die Europäische Region verzeichnet einen deutlichen Rückgang der Säuglingssterblichkeit von 7,3 Säuglingssterbefällen je 1000 Lebendgeburten im Jahr 2010 auf 6,8 Fälle im Jahr 2015. Ein ähnliches Bildergibt sich bei der Grundschulbesuchsquote. Die Zahlen für die gesamte Region gehen in die richtigeRichtung: Der Anteil der Kinder im Grundschulalter, die nicht die Schule besuchen, ist von 2,6% im Jahr2010 auf 2,3% im Jahr 2015 gesunken. Die Unterschiede zwischen Ländern sind jedoch groß: An einemEnde des Spektrums besuchen 0,1% die Schule nicht, am anderen sind es 10,1%.9

10Der Europäische Gesundheitsbericht 2018 / WESENTLICHE PERSPEKTIVENDie Grundschulbesuchsquote in der EuropäischenRegion der WHO steigt. Zwischen den Ländernbestehen jedoch Ungleichheiten.Prozentualer Anteil der Kinder, die eine Grundschule besuchen (2015)99,9%Höchster Wert in der Region89,9%Niedrigster Wert in der RegionAuch bei der Arbeitslosigkeit, die in der gesamten Europäischen Region (leicht) von 8,9% im Jahr 2010auf 8,7% im Jahr 2015 zurückgegangen ist, sind die Unterschiede zwischen den Ländern nach wie vorsehr groß und reichten 2015 von einem Minimalwert von 0,5% bis zu einem Maximalwert von 26,1%.Die Arbeitslosenquote in der Europäischen Regionder WHO ist seit 2010 leicht zurückgegangen, dochzwischen den Ländern bestehen Ungleichheiten.Arbeitslosenquote (2015)26,1%0,5%Höchster Wertin der RegionNiedrigster Wertin der Region

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 2018Wohlbefinden auf dem höchsten Stand in der Welt – aber nicht für alle in derEuropäischen RegionDACHZIEL 4 Förderung des Wohlbefindens der Bevölkerung in der EuropäischenRegionDie Förderung des Wohlbefindens wird in „Gesundheit 2020“ als eines der Hauptziele der Gesundheitspolitik in der gesamten Europäischen Region bezeichnet. Das Konzept kann anhand verschiedener objektiver Indikatoren gemessen werden, wird aber auch von kulturellen Faktoren wie Wertvorstellungen,Traditionen und Überzeugungen beeinflusst, weshalb es auch durch qualitative Indikatoren überwachtwerden sollte, die über diese Aspekte und das subjektive Wohlbefinden Aufschluss geben. Allerdings istdie Verfügbarkeit von Daten in der Europäischen Region derzeit so unterschiedlich, dass nur über einensubjektiven Indikator – Lebenszufriedenheit – Bericht erstattet werden kann; dieser wird auf einer Skalavon 0 (am wenigsten zufrieden) bis 10 (am zufriedensten) als Antwort auf die Frage „Wie zufrieden sindSie zur Zeit mit Ihrem Leben?“ gemessen.Auf der Grundlage objektiver Indikatoren für Wohlbefinden bestehen diesbezüglich außerordentlich große Unterschiede innerhalb der Europäischen Region. So liegt in der Region insgesamt der Wert für diesubjektive Lebenszufriedenheit bei 6; allerdings weisen einige Länder einen relativ niedrigen Gesamtwert von 5 oder weniger auf, während andere Länder weltweite Spitzenwerte verzeichnen und bis zu7,6 erreichen. Das Niveau der sozialen Unterstützung oder der sozialen Verbundenheit (ein Maß für objektives Wohlbefinden) ist in der Region immer noch recht hoch, ist jedoch zurückgegangen: 2013 gaben86% der Bevölkerung im Alter von 50 Jahren und darüber an, Familie oder Freunde zu haben, auf die siesich verlassen könnten, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten; 2015 war dieser Wert auf 81% gesunken.Fortschritte auf dem Weg zur allgemeinen Gesundheitsversorgung – zwei Schrittevor, einer zurückDACHZIEL 5 Verwirklichung einer flächendeckenden Versorgung und des„Rechts auf Gesundheit“Die Agenda 2030 (6) stellt ebenso wie das davor angenommene Rahmenkonzept „Gesundheit 2020“ dieallgemeine Gesundheitsversorgung in den Vordergrund – die Einrichtung von Gesundheitssystemen,in denen unentbehrliche Leistungen für alle verfügbar sind und Zuzahlungen der Patienten auf einemakzeptablen Niveau gehalten werden. Sie ist auch eine der drei strategischen Prioritäten der WHO inihrem Dreizehnten Allgemeinen Arbeitsprogramm 2019–2023 (7), das darauf abzielt, die allgemeine Gesundheitsversorgung auf eine weitere Milliarde Menschen auszuweiten. In Bezug auf die Verwirklichungeiner allgemeinen Gesundheitsversorgung und des Rechts auf Gesundheit gemäß dem Rahmenkonzept„Gesundheit 2020“ ergibt sich ein uneinheitliches Bild: Einige Indikatoren sind ermutigend, während andere statisch sind oder sich in die falsche Richtung bewegen. Auch hier bestehen erhebliche Unterschiede innerhalb der Europäischen Region.11

Der Europäische Gesundheitsbericht 2018 / WESENTLICHE PERSPEKTIVEN12Die durchschnittlichen Gesamtausgaben für Gesundheit in den Ländern der Europäischen Region beliefen sich 2014 auf 8,2% des BIP und blieben damit gegenüber 2010 (8,3%) nahezu unverändert. Allerdings gab es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die 2014 von 2,1% bis 11,9% reichten.Auch die Unterschiede zwischen den Subregionen waren bemerkenswert: Die durchschnittlichen Ausgaben reichten von 6,6% in den GUS-Ländern1 bis 10,8% in den skandinavischen Ländern.Die durchschnittlichen Gesundheitsausgabenin der Europäischen Region der WHO bleibengegenüber 2010 unverändert, doch zwischenden Ländern bestehen Ungleichheiten.Prozentualer Anteil der Gesamtausgaben für Gesundheit am BIP (2014)11,9%2,1%Höchster Wert in der RegionNiedrigster Wert in der RegionPositive Anzeichen waren die Entwicklung der Müttersterblichkeit in der gesamten Region, die von13 Todesfällen pro 100 000 Lebendgeburten im Jahr 2010 auf 11 Todesfälle im Jahr 2015 zurückging, und der Behandlungserfolg bei neuen Fällen von Lungentuberkulose, der sich zwischen 2010 und2015 von 74% auf 77% verbesserte. In beiden Fällen gab es jedoch große Unterschiede zwischen denMitgliedstaaten.Die Europäische Region engagiert sich wirklich für die Aufstellung von Zielen undVorgabenDACHZIEL 6 Aufstellung nationaler Ziele und Vorgaben für die Gesundheit in denMitgliedstaatenEinige der beeindruckendsten Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele von „Gesundheit 2020“ betrafen die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Aufstellung von Vorgaben für Gesundheit und Wohlbefinden. Die meisten Länder haben ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt, die gesamtstaatlichenund gesamtgesellschaftlichen Ansätze zur Politikgestaltung zu übernehmen, indem sie ihre nationalenHandlungskonzepte an den Zielen des Rahmenkonzepts ausgerichtet, Umsetzungspläne beschlossenund Rechenschaftsmechanismen zur Überwachung und Bewertung der Fortschritte etabliert haben.1Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 20182016 gaben 38 von 43 Ländern (88%) der Europäischen Region, die an einer Umfrage des Regionalbürosteilnahmen, an, Vorgaben für Gesundheit und Wohlbefinden festgelegt zu haben oder zu planen, dies innaher Zukunft zu tun. Die Umfrage ergab auch, dass die große Mehrheit der antwortenden Länder eineauf „Gesundheit 2020“ ausgerichtete Gesundheitspolitik (95%), einen Umsetzungsplan (86%) oder einenRechenschaftsmechanismus (88%) entwickelt hatte oder über entsprechende Pläne verfügte.Das starke und anhaltende Engagement der Mitgliedstaaten für die Verwirklichung der Ziele von „Gesundheit 2020“ lässt sich auch aus dem Dreizehnten Allgemeinen Arbeitsprogramm der WHO 2019–2023 (7) ablesen, das es zu einer strategischen Priorität erklärt, „einen integrierten und ressortübergreifenden Ansatz“ zu nutzen, um für eine weitere Milliarde Menschen mehr Gesundheit und Wohlbefindenzu verwirklichen.NUTZUNG NEUER FORMEN VON EVIDENZZUR ERFASSUNG DER KERNWERTE VON„GESUNDHEIT 2020“Quantitative Daten stehen nach wie vor im Mittelpunkt der Gesundheitsberichterstattung. Um jedoch einvollständiges Bild zu vermitteln – um zu verstehen, warum Trends so auftreten, wie es geschieht –, müssen qualitative Informationen und Evidenz aus neuen Quellen herangezogen werden, um Aufschlussüber die Bedeutung der Zahlen zu geben. Diese neuen Formen von Evidenz, die selten direkt aus derGesundheitspolitik selbst kommen, stammen zum Teil aus den sogenannten Medical Humanities undden Sozialwissenschaften, wobei verschiedene Techniken wie Fokusgruppendiskussionen und halbstrukturierte Interviews zum Einsatz kommen, die einen Einblick in die realen, „gefühlten“ Erfahrungenvon Personen und Gesellschaften geben. Neuartige Methoden dieser Art sind besonders wichtig, um dieArbeit über Wohlbefinden voranzutreiben und in „Gesundheit 2020“ verankerte neue Konzepte wie dieWiderstandsfähigkeit der Gesellschaft, die Befähigung zu selbstbestimmtem Handeln, den Lebensverlaufansatz und den gesamtgesellschaftlichen Ansatz zu erforschen.In einer Reihe von Fachsitzungen hat das WHO-Regionalbüro für Europa damit begonnen, diese Konzepte systematisch zu erforschen und Berichterstattungsstrategien zu entwickeln, damit sie zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung von „Gesundheit 2020“ genutzt werden können.Die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft – die Fähigkeit von Gemeinschaften, sich Herausforderungen zu stellen und sich von Widrigkeiten zu erholen, ohne auf ungesunde Bewältigungsmechanismenzurückzugreifen – kann durch Interventionen von außen gestärkt werden, wodurch sie für politischeMaßnahmen beeinflussbar wird. Es handelt sich jedoch um ein komplexes Phänomen, das Interaktionen zwischen Personen, Familien, Gruppen und der Umwelt umfasst, sodass ein wirksamer Messrahmen qualitative Fallstudien unter Beteiligung von Gemeinschaften erfordert, die von Marginalisierungoder großen Widrigkeiten betroffen sind.13

14Der Europäische Gesundheitsbericht 2018 / WESENTLICHE PERSPEKTIVENDie Befähigung der Gesellschaft zu selbstbestimmtem Handeln gibt den Menschen mehr Kontrolleüber Entscheidungen, die ihre Gesundheit betreffen, und ist mit vielfältigem Nutzen verbunden, daruntermehr Zusammenhalt, eine geringere Mortalität, die Entstehung von Kapazitäten und mehr Chancengleichheit beim Zugang zu Ressourcen. Allerdings ist die Befähigung zu selbstbestimmtem Handelnschwierig zu messen und zu verwirklichen, weshalb Mischansätze erforderlich sind, die ein tieferesVerständnis der sozialen und politischen Dynamik ermöglichen, durch die sie erreicht werden kann.Der Lebensverlaufansatz, auf den sich die Mitgliedstaaten im Rahmen von „Gesundheit 2020“ als leistungsfähiges organisatorisches Grundprinzip verständigt haben, ermöglicht Interventionen, die zeitgerecht und für die verschiedenen Lebensphasen geeignet sind und für die gesamte Bevölkerung überdie gesamte Lebensspanne hinweg Nutzen bringen. Die Ausrichtung auf Schlüsselphasen wie Schwangerschaft und frühe Kindheit verspricht dauerhaften Nutzen, erfordert aber viel Vorarbeit, einschließlich auf Narrationen basierender qualitativer Ansätze, um die gesamte Bandbreite kultureller, sozialerund anderer Faktoren zu erfassen, die Gesundheit und Wohlbefinden während des gesamten Lebensbeeinflussen.AUF DEM WEG ZU VEREINHEITLICHTENUND INTEROPERABLENGESUNDHEITSINFORMATIONSSYSTEMENDie Bemühungen der Mitgliedstaaten um Verbreiterung der Evidenzgrundlage reichen für sich jedochnicht aus. Um solide Grundlagen für die Politikgestaltung im Bereich der öffentlichen Gesundheit im21. Jahrhundert zu erhalten und diese Politikgestaltung zu stärken, müssen beide Arten von Evidenz –quantitative und qualitative – zu Standardinformationen werden, auf die alle Betroffenen einschließlich der breiten Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden können. Nur dann kann es eine sinnvolleDebatte darüber geben, was solche Informationen für Gemeinschaften, Familien und Einzelpersonenbedeuten.Integrieren und koordinieren: die Europäische Gesundheitsinformations-Initiativeder WHOUm diese Art von qualitativ hochwertiger und relevanter Evidenz zu erzeugen, müssen drei Schlüsselelemente zusammenwirken: Gesundheitsinformationen, Gesundheitsforschung und Wissensumsetzung.Diese Komponenten in vereinheitlichten und interoperablen Informationssystemen aufeinander abzustimmen und miteinander zu verknüpfen, ist das Ziel des Aktionsplans zur Verstärkung der Nutzung vonEvidenz, Gesundheitsinformationen und Forschung für die Politikgestaltung in der Europäischen Regionder WHO (8) – dem ersten Plan dieser Art überhaupt – und seines Umsetzungsmechanismus, der Europäischen Gesundheitsinformations-Initiative der WHO (EHII).

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 2018Die EHII ist ein Forum mit zahlreichen Partnern, bei denen es sich überwiegend um Mitgliedstaatenhandelt; sie dient als Plattform für die Koordinierung von Gesundheitsinformationen, Forschung undWissensumsetzung in der gesamten Europäischen Region. Allerdings müssen die systemischen Verbindungen gestärkt werden, und der Aktionsplan muss stärker strategisch umgesetzt werden. Mit Unterstützung der EHII bewerten die Mitgliedstaaten ihre eigenen nationalen Gesundheitsinformations- undForschungssysteme und entwickeln nationale Strategien, um sowohl die derzeitigen Interventionen zuoptimieren als auch die Gewinnung lokaler Evidenz für lokale Entscheidungsprozesse zu verbessern.Schließung der Lücke zwischen Forschung und Politik: das Evidence-informedPolicy Network (EVIPNet)Der Schwerpunkt liegt nun nachdrücklich auf der Nutzung von Forschungsinformationen – um sicherzustellen, dass diese bei der Entwicklung evidenzgeleiteter (statt evidenzbasierter) Gesundheitspolitikaktiv angewendet werden. Politikgestaltung ist ein im Wesentlichen politischer Prozess, in dem Forschungserkenntnisse nur ein (wenn auch der wichtigste) Faktor sind, der die Entscheidungsfindungbeeinflusst. Bei der Politikgestaltung müssen wissenschaftliche Erkenntnisse oft mit Überzeugungen,persönlichen Interessen, politischen Erwägungen, Traditionen, früheren Erfahrungen und finanziellenSachzwängen konkurrieren.Die Schließung der Lücke zwischen Forschung und Politik ist die Hauptaufgabe des Evidence-informedPolicy Network (EVIPNet) der WHO, das unter dem Dach der EHII als ein neutraler und vertrauenswürdiger Vermittler zwischen Forschern und Politikern tätig ist (9, 10). Forscher sind häufig nicht in der Lageoder verfügen nicht über die Ressourcen, um die Arenen zu erreichen, in denen Politik gestaltet wird.Das EVIPNet und seine nationalen Wissensumsetzungsforen können jedoch allen Beteiligten helfen,Evidenz zu bewerten, zu filtern und zu interpretieren, aussagekräftige Botschaften zu formulieren undsie an bestimmte Zielgruppen heranzutragen.Letztlich häng

WESENTLICHE PERSPEKTIVEN Der Europäische Gesundheitsbericht 2018 5 ÜBERBLICK Der Weg zu „Gesundheit 2020“ glich in vielerlei Hinsicht einer Entdeckungsreise. Die Ausgabe 2018 des Europäischen Gesundheitsberichts (1) ist zu einem großen Teil der Analyse der wichtigsten Trends gewidmet, die dem akt